Dienstag, 16. August 2011

Selbstmord

Ein Student springt von der neunten Etage eines Universitätsgebäudes in den Tod, nachdem er eine Prüfung nicht bestanden hat. Ein Kollege sieht ihn aus seinem Fenster an sich vorbeifliegen und kann die folgenden Tage an nichts anderes mehr denken. Ein Professor wird in den nächsten Wochen noch viel mehr nachdenken, oder er ist schon endgültig abgestumpft. Keine Tageszeitung behandelt das Thema. Es ist wichtiger, dass irgendwer im Big Brother Haus duscht.

Es interessiert kaum, dass so etwas nicht zum ersten Mal an dieser Universität passiert ist.
Es interessiert, ob die Bildungsstatistik stimmt.
Es interessiert wie viel mehr man in den Stundenplan eines Studenten reinquetschen kann.
Es interessiert viele Kleinigkeiten teurer zu machen, weil alle mehr Geld brauchen: Studiengebühren, Bahntickets, Mieten, Personalausweise,...
Es interessiert nicht wie das jemand bezahlen soll, der kein Einkommen hat.
Es interessiert nicht wie man den Studenten helfen kann, das Kleinvieh an Mehrbelastungen zu meistern.
Es interessiert nicht, ob Studenten etwas an den Studiengängen bemängeln.
Es interessiert kaum einen Professor, was die Studenten mit ihrem bisherigen Hintergrund verstehen können.
Es interessiert aber auch kaum einen Studenten, dass Professoren auch Menschen mit Gefühlen sind.
Es interessiert leider nicht, ob ein Student für das Fach, welches er ausgewählt hat, geeignet ist. Ein direktes Ende mit Schrecken (versaute Eingangsprüfung) ist besser als ein jahrelanger Schrecken mit schrecklichem Ende.


Was nützen positive Zahlen, Statistiken, die beweisen sollen, wie gut es uns geht, wenn die Leute durch die Universitäten, die Frimen, die Dörfer und Städte rennen und dreinschauen als wären sie Zombies, die nicht in der Lage sind das Leben zu genießen?

Das deutsche Volk in einer Favela in Rio, es würde ihm helfen, um zu schätzen was es hat und was es braucht. Es würde helfen zu lernen, dass man mit sehr wenig Materiellem glücklich sein kann. Der Zustand einer Gesellschaft kann nicht mit Zahlen gemessen werden - so sehr Statistiken helfen mögen - dazu braucht man lediglich geöffnete Augen. Das Glück jedes Einzelnen muss mehr in den Vordergrund gerückt werden, es sollte in den Zielbestimmungen mehr Wert haben als fiktive Zahlen.

Mit diesen Worten gedenke ich einem jungen Mann, der sein Leben von der neunten Etage eines Berliner Universitätsgebäudes herunterschmiss. Einen sinnloseren Tod eines Menschen gibt es kaum, im Affekt, ohne Reflektion. Doch auch das ist Teil des Problems, jeder Mensch sollte die Zeit haben - und sie nutzen - um zu reflektieren.

Samstag, 30. Juli 2011

Bomben des Glücks

Die Arbeit an meinem zweiten Roman - nach dem Debüt Jack Casablancas' Blues - geht voran. Bisher habe ich etwa 150 Seiten aufgeschrieben, von denen die Hälfte schon weitgehend überarbeitet sind. Der Arbeitstitel Bomben des Glücks weist darauf hin, worum es in der Lektüre geht. Unter gewissen Umständen kann das Unglück Vieler, etwa ein Bombardement, gar ein Krieg, trotz all des Unglücks zum Glück eines Individuums werden. Viele stecken in ihren (zum Teil erfolgreichen) Karrieren fest und schaffen es nicht das Glück überhaupt kennenzulernen. Manchmal bedarf es besonderer Umstände, um dies zu ändern.

Donnerstag, 28. Juli 2011

Der Killer aus Nanaimo

Nanaimo, Busstation
Nach einer Busfahrt aus Tofino,
Einem kleinen Surferort auf Vancouver Island
Der Hals ist trocken
Ein ehemaliger Club
Jetzt ein christlicher Treffpunkt
Eine Kirche
In der jeden Freitag Cookies, Kaffee und Wasser
Umsonst für alle Reisenden angeboten wird
"Könnte ich wohl kurz rein, mir ein Wasser holen?"
"Ja, selbstverständlich! Nehmen sie auch einen Muffin, sie sind kostenlos!"

Okay, danke
Vor der Tür unterhalte ich mich mit einem alten, alten Mann
Einem Christen,
So wie weiteren Frauen, die der Kirche angehören
Ich finde es sehr großartig, dass diese Leute die Reisenden umsonst verpflegen
Das Gesicht des Alten hat etwas...
Etwas Fatalistisches... in seiner Lebendigkeit
Es hat unglaublich viele Falten
Die Ringe unter den Augen sind nicht zählbar
Und beschreiben eine enorme Traurigkeit
Die braunen Augen zucken hin und her
Ich beiße in den Keks, während ich ihm zuhöre
"Deutschland, aha! Meine zweite Frau war aus Deutschland."
Ein Christ, durch und durch...
"Sie machen Mathematik, aha! Ich war Ingenieur
Deutschland hat die besten Ingenieure der Welt!
Mein Betreuer im Studium war Deutscher
Er war sehr streng,
Aber was soll ich sagen, hehe,
Ich habe wohl sehr viel von ihm gelernt,
Er war eine Ikone in seinem Gebiet."

Die Ladys unterhalten sich, sie sagen,
Die Kirche wäre mal ein Club gewesen,
Ein verruchter Ort
Darauf springt der Alte sofort an
"Ich war auch nicht immer ein guter Mensch,
ganz und gar nicht!
Es hat lange, lange gedauert, bis es soweit war
Ich war ein Killer, wisst ihr?
Als ich rauskam haben sie mir eine Klammer um den Fuß gemacht,
So dass ich nicht aus dem Haus konnte."

Ich schaue mir sein Gesicht noch einmal genauer an
So traurig,
So wirr, aber ein Killer?
Eigenartig, gewiss, aber ein Killer?
Ein KILLER?
Hatte ich mich verhört?
Ist mein Englisch doch zu schlecht?
"Jahrzehnte war ich im Gefängnis,
Und habe schließlich gelernt gut zu sein,
Aber es hat professionelle Hilfe gebraucht
Wochen und Monate mit Psychoanalysten
Es lag an meiner Jugend
Ich habe sie umgebracht,
Weil ich als Teenager sexuell missbraucht worden war
Ich bin endlich ein guter Mensch,
Aber ihr seht wie viel Arbeit das gekostet hat."


Im Bus hatte ich noch darüber nachgedacht,
Dass die Gespräche in Amerika meist oberflächlich ablaufen
Ein dünner Film, nanoskopische Dicke,
Darunter nichts
Stundenlanger Small-Talk

Jetzt habe ich es geführt,
Das Gespräch, das unter die Haut geht
Mit einem kanadischen Mörder

Donnerstag, 7. Juli 2011

Gaga

Ein paar Worte zum System

Ein System, das uns viel gebracht hat

Reichtum
Reisefreiheit
McDonalds
Essen ohne Ende
Häuser
Autos
Meinungsfreiheit
Madonna
Britney Spears
Lady Gaga
Kreativität

Doch die Logik ist nicht sehr beliebt
In dem System
Das auf den Spaß baut

Ich liebe den Spaß...

Aber man muss den klugen Gedanken achten
Sonst endet man wie die Nordamerikaner
Schwabbelig
Im Stau
Ohne Freunde
Und ohne Geld
Verkauft an die Chinesen

Es will schon jetzt niemand mehr rechnen
Was vielleicht besser ist
Wenn man sich Verschuldungen der westlichen Länder anschaut
Und weiß wie exponentielles Wachstum funktioniert

Jeder Finanzminister meiner Zeit
Zeigt Balkendiagramme
Auf denen steht wie in 4 Jahren
Die jährliche Neuverschuldung gen Null geht
Jeder Finanzminister meiner Zeit
War etwa doppelt so alt wie ich jetzt
Hat jeden Finanzminister meiner Zeit reden hören
Und hat seine Balken gesehen
Dennoch stellt er sich dahin
Und sagt voller Überzeugung wie es sein wird

Es fasziniert mich
Es distanziert mich von der Politik
Die so furchtbar gaga ist
Obwohl sie wichtiger ist als alles andere
Die so furchtbar gaga ist
Wie die Kreativität der Lady
Und die so ehrlich ist
Wie zu Guttenbergs Gewissen rein
Es distanziert mich von den Menschen
Die so furchtbar gaga sind
Und die Worte der Lügner als bare Münze nehmen
Als hätten sie kein Gedächtnis
Als würden die Regierenden ihre Diäten nicht grundlos um die Zahl erhöhen,
Die ein durchschnittlicher Student zum Leben hat

Ein System
In dem niemand Gescheites die wichtigsten Funktionen des Landes besetzten will
Weil er sein Leben im Lady Gaga Land verbringen müsste
Steht auf der Kippe

Donnerstag, 23. Juni 2011

Schubladen

Ost
West
Nord
Süd
Mitte
Links
Rechts
Rot
Schwarz
Gelb
Grün
Europa
Asien
Afrika

Schubladen
Schränke
Aufbewahrungskisten

Es hilft zu differenzieren
Es ist notwendig zur effizienten Kommunikation

Es fördert Vorurteile

Donnerstag, 9. Juni 2011

Kunst und Mathematik

Der Fixpunkt der Integralgleichung
Die Lösung des Problems
Der Differentialgleichung
Der Beschreibung des physikalischen Problems

Warum gähnst du?
Ist es dir nicht schön?
Aber heißt es nicht,
Mathematik, so schön
So schön!
Wie die Strukturen der anderen Künstler,
Sagen sie
Die Bilder, die Skulpturen, die Gedichte
Und dazu noch nützlich...

Doch wenn es wahr ist,
Warum,
Warum zum Henker,
Schläft der dürre Schüler mit zu dicker Hornbrille schon wieder ein
Während die schönen, jungen Menschen in den Galerien sind
Und sich des Lebens erfreuen?

Ich, als Mathematiker, sage euch warum:
Es ist, als würde man ein Gedicht lesen,
Ohne die Sprache zu beherrschen
Erst nach Jahren des Studiums,
Kommt die Schönheit zum Vorschein
Und so versteht niemand
Wie er und sie von Schönheit redet
Weil nicht einmal bekannt ist,
Dass Mathematik eine eigene, sehr komplexe Sprache ist

Montag, 6. Juni 2011

Architektur auf dem Kopf

Manchmal verstehe ich die Welt nicht. Als ob alles quer stehen würde, die neunte Etage im Keller eines kellerfreien Hochhauses. Die Frage, die sich mir heute stellt ist die folgende: Wer vergibt eigentlich Architekturauszeichnungen? Ich sitze in einem 70er Jahre Bau, der eine solche erhalten hat und wegen welcher es schwierig ist, irgendetwas an dem Gebäude zu verbessern. Die Heizungen müssen die giftige Farbe behalten, die sie von Anfang an hatten, egal wie unmodern diese mittlerweile erscheinen mag. Das gilt auch für die anderen verqueren Farben... Aber nun gut, Hässlichkeit ist das Eine, das Andere ist die Funktionalität. Ich befinde mich doch in einem sogenannten Funktionalbau?!? Man würde erwarten, dass dies impliziert, dass alles so funktioniert, wie es den Bedürfnissen der dort Arbeitenden angemessen ist, dass man auf Optik verzichtet, um sich dem zu widmen, was die Leute tatsächlich bei der alltäglichen Arbeit brauchen.
Paperlapapp!
Bei gefühlten hundert Grad sitze ich in diesem Glaskasten, der sich Universitätsgebäude schimpft, ohne Klimaanlage, ohne Luft, ohne Charme. Die elektronisch geregelten Rolläden fahren alle zehn Minuten rauf oder runter, je nachdem wie sie Lust haben. Ich kenne niemanden, der hier arbeitet und je ein gutes Wort über das Gebäude gesagt hat. Und dennoch, das ist vielleicht das Schlimmste, es ist ausgezeichnet mit einem Architekturpreis.

Dann wundert es mich auch nicht, dass so einige Architekten aus Berlin die Plattenbauten am Alex stehen lassen wollen. Schließlich findet man das Haus des Reisens in Lehrbüchern... Bitte? Mahnmähler der Architektur gibt es in dieser Stadt an jeder zweiten Ecke, sie braucht man also nicht vor dem Abriss zu schützen.

Sonntag, 29. Mai 2011

Wahnsinniges Glück

Wahnsinn
Was hier passiert
Der Zahlenteufel hat sich eingeschlichen
Zahlen sind mehr wert als je zuvor
Obwohl der Westen irrationaler mit ihnen umgeht als je zuvor
Wahnsinn
Was hier passiert
Die Arbeitskollegen unterhalten sich
Die Panik in den kleinen, grauen Augen
Obwohl es ihnen besser gehen müsste als der restlichen Welt
Wahnsinn
Sie steigen jeden Tag ins Auto ohne Nachzudenken
Fahren emotionslos an Unfällen vorbei
Und wenn die kleinste neue Unbekannte in ihrem Leben auftaucht
Die sich als Gefahr herausstellen könnte
Ist das Geschrei laut und allgegenwärtig
Es muss etwas getan werden!
Wahnsinn
Das BIP ist hoch, das Einkommen ist weit überdurchschnittlich
Die Arbeitslosenquote ist niedrig, das Essen ist günstig
Wohnen ist billig, Urlaub gibt's viel
Die Sonne scheint schon seit drei Monaten
Die Steuereinnahmen sind 100 Milliarden über dem Plan
Wir haben 10-Jahres-Pläne, 3-Jahres-Verträge, 6-Monats-Statustreffen
Wir haben Baufinanzierungspläne, Riester-Renten, Aktienfonds
Alles ist perfekt durchdacht

Das Problem ist die Zielfunktion
Denn was will man denn optimieren?
Welche Zahlen müssen hoch sein, welche klein
Und zu welchem Zweck?
Das scheint niemandem so recht klar zu sein
Meiner Meinung nach liegt hier das Problem
Sie sind ganz durcheinander durch all die Einsen, Zweien, Siebenen und Dreien
In der Schule haben sie die Mathematik nie gemocht
Und plötzlich ist sie überall!
Es muss falsch sein...
Denn sonst würden sie nicht die Wochenenden in Arbeitszimmern verbringen
Um Steuererklärungen auszufüllen
Um den Handybetreiber zu wechseln
Um den Stromanbieter zu wechseln
Um eine Zusatzversicherung abzuschließen
Um den neuen Dienstwagen auszuwählen
Um noch mehr Geld, Sicherheit und Komfort zu haben
Obwohl es alles schon da ist
Sie erzeugen freiwillig den Mangel an Lust
Weniger straffe Haut, weniger Teint
Weniger
Weniger Glück

Glück, meine Freunde, ist der zu optimierende Zustand
Einzig das Problem ist
Dass man es nicht in Zahlen fassen kann
Dass Politiker keine Tabellen präsentieren können
Die da sagen,
Seht her, wir haben nun mehr Glück
Oder
Am Ende unseres 10-Jahres-Plans steht der Ausstieg aus dem Unglück
Und der Mensch, hier im Westen
Er braucht die verhassten Zahlen
Sonst bewegt er sich gar nicht erst

Montag, 25. April 2011

Gleichheit

Die Welt wird gleich gemacht,
Obwohl nichts gleich ist
Obwohl die Schönheit in der Differenz liegt
Das Lebenswerte
Wie sozialistische Verwirrungen legt es sich über das Land
Über die Welt
Die Rufe nach Gerechtigkeit
Sind fast nie gerecht
Und Gleichmacherei
Ist nicht Gleichberechtigung
Die Toleranz weht auf den Fahnen
Während jeder, der abweicht,
Von den Weichen der Gesellschaft herabfällt
Selbstgerechtigkeit und Selbstherrlichkeit
Die Diskrepanz der Worte
Zwischen dem Redner und dem Verlangten
Die Idee des Kommunismus scheint zunehmend beliebt
Auch wenn es niemand wieder so benennen würde
Wie immer dreht sich alles im Kreis
Und die nachfolgenden Generationen wissen nicht um die Fehler
Die alle schon gemacht worden sind
Sie merken nicht wie gut sie es haben

Dienstag, 19. April 2011

Genug

Es gibt genug zu sagen
Es gibt genug zu feiern
Es gibt genug Menschen
Es gibt genug Probleme
Es gibt genug Worte

Sonntag, 20. Februar 2011

Reflektiert

„Die reflektierte Lebenskunst setzt an bei der Sorge des Selbst um sich, die zunächst ängstlicher Natur sein kann, unter philosophischer Anleitung jedoch zu einer klugen, vorausschauenden Sorge wird, die das Selbst nicht nur auf sich, sondern ebenso auf Andere und die Gesellschaft bezieht.“


Wilhelm Schmid

Freitag, 28. Januar 2011

Der Wanderer

Die Revolution in Kairo nimmt also ihren Lauf. Man darf gespannt sein wie es die nächsten Tage weitergeht... Ich wünsche Fatma und ihren Freunden viel Glück, damit der Spuk schnell vorbei ist, und vor allem, damit das, was folgt, nicht noch schlimmer wird.



Ich arbeite an einem Gedichtsband. Dabei habe ich ein Stück gefunden, das ich schon etwas länger her geschrieben habe. 
Viel Spaß damit,
Matthias Kostka



Der Wanderer



Er kletterte auf den Mont Everest,
Meditierte auf seinem Gipfel
Und ernährte sich von Gletscherwasser

Er wanderte durch das Feuerland,
Hoch, die Seenplatte entlang,
Durch den Amazonas

Er kämpfte mit Tieren,
Mit Tropenregen
Und Tropenkrankheiten

Er schwamm durch den längsten Fluss
Überlebte Parasiten, Blutsauger und Krokodilangriffe
Und einen Vulkanausbruch der sein Dorf in Schutt und Asche zerlegte

Er halluzinierte bei 40 Grad,
Sprach mit sich selbst
Und den Gefährten, den Geistern die er sah

Er wurde wieder klar und lernte,
Über fremde Kulturen
Und den Kern des menschlichen Wesens

Er wanderte die chinesische Mauer entlang,
Traf Buddhas und sprach mit Ghandi,
Lernte Kanji, Hiragana und Katanaka,
Bis er sie irgendwann verinnerlicht hatte
Und die Symbole wie Gemälde malte

Beruhigter Seele zog er weiter

Die Sahara hätte ihn fast verdursten lassen,
Doch er hatte Glück,
Denn eine der vielen Karawanen, die er sah,
War keine Fata Morgana

Sie brachte ihn nach Kairo,
Wo ihm eine Großfamilie aus Giza wieder zu Kräften verhalf
Er blickte auf größten Pyramiden der Welt
Und genoss die größtmögliche Gastfreundschaft

Das Glück was er gehabt hatte war enorm,
Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Rettung unendlich klein
Es war ihm hold,
Wie damals mit den Schlangen in Peru,
Dem ertrunkenen Gefährten in Agua Azul,
Oder bei der Entführung in Kuba

Mit jedem Jahr merkte er mehr wie wichtig der Kopf war
Nicht wie der Körper, der Vergängliche,
Das Wesentliche des Seins

Er schloss sich für drei Jahre ein
Machte Joga, um den Kopf bei Kräften zu halten
Und erlernte in dieser Zeit 7 weitere Sprachen
So dass es in der Summe 19 waren

Am Ende wusste er alles,
Denn er hatte alles gesehen,
Alles gerochen,
Alles verstanden,
Alles gesprochen
Doch eines blieb ihm bis zum Schluss verborgen,
Denn egal wo er war sah er glückliche Gesichter

Donnerstag, 27. Januar 2011

Das Licht der Freiheit für die Ägypter - Being alive with dignity or being dead forever

Meine Facebook-Freundin aus Ägypten, nennen wir sie Fatma, gibt mir seit Jahren durch ihre Statusupdates und die Kommentare ihrer Freunde einen ganz recht guten Einblick in die Seele der Ägypter. Als die Mohamad-Karrikaturen Kontroverse aktuell war, spürte ich Fatmas Wut, als die Fußballer Afrikameister wurden ihre Freude. Ich möchte, aus aktuellem Anlass, ein Paar Worte zu der aktuellen Stimmung loswerden.

2005 habe ich Fatma in Kairo bei einer Tagung teilgenommen und habe sie und ihre Freunde, allesamt Studenten, kennengelernt. Was man damals jeden Tag spürte war die Unfreiheit, vor allem die Unfreiheit der Frauen. Ich kann mehrere Beispiele, die dieses Gefühl hervorgerufen haben, nennen.

- Wir wurden in einem Reisebus zu dem ägyptischen Museum gebracht. Die einheimischen Studenten haben sich bei diesem Ausflug um uns gekümmert. Sie haben zum Beispiel die Tickets am Eingang besorgt, oder bei jeglichen anderen Kommunikationsversuchen mit den Ägyptern geholfen. Fatma lutschte einen Lolly und ich wunderte mich, warum sie von einem Security bei dem Museum wüst beschimpft worden war. Die Erklärung und Folgen für sie schilderte sie mir beim Chatten: Dieses Verhalten "das Lutschen eines Lutschers in der Öffentlichkeit" wurde als nicht anständig angesehen. Der Sicherheitsdienst meldete dieses unsittliche Verhalten bei ihrer Universität. Alle Studenten, die uns begleitet haben, wurden für diesen Ausflug benotet. Ich fragte mich erst einmal "wofür?". Immerhin standen sie bloß herum und haben sich mit uns unterhalten. Bewertet wurde mitunter das sittliche Verhalten. Fatma erhielt die schlechteste Note, weil sie an einem Lolly gelutscht hat. Versaut waren dabei nur diejenigen, die was Versautes dachten.
- Eine andere Studentin (damals etwa 19 Jahre alt) sollte kurze Zeit später verheiratet werden. Damals war sie auch noch eine Facebook-Freundin von mir und ihr Kommentar war "Es ist nicht so schlimm. Ich habe ihn schon drei Mal gesehen." Ich weiß nicht wie, aber sie hat es geschafft diese Hochzeit zu verschieben. Der Aufschub kann jedoch nicht lang gewesen sein.
- Ich war mit einer großen Gruppe Ägypter, weiblich und männlich, essen. Die Stimmung war sehr gut, denn es gab Shishas, es gab sehr gute Gerichte... Um Punkt 10 mussten plötzlich alle Frauen nach Hause gehen. Sie leben entweder bei den Eltern, oder bei ihren Männern, etwas dazwischen gibt es nicht. Dort wird erwartet, dass sie um 22 Uhr zu Hause sind. Eine Gruppe von 10-12 Männern zog also ohne eine einzige Frau weiter und versuchte sich zu amüsieren. Wir spielten zusammen Billard und sie benahmen sich wie Teenager. Ich habe das nicht verstanden, denn Abende ohne Frauen sind auf Dauer wirklich sehr langweilig. Ich hatte das Gefühl, dass viele von ihnen auch nicht so recht wussten, wie sie mit diesem System umgehen sollten...
- Die Mädels wollten unbedingt raus aus Ägypten. Sie biederten sich an, wenn kein Mann in der Nähe war. Sie bemühten sich klarzustellen, dass sie den "Westen" lieben und gute Arbeit verrichten. Gesehen werden wollten sie dabei nicht. Man merkte ihnen den Stress an, wenn jemand Bekanntes um die Ecke kam und sie alleine mit einem ausländischen Mann reden sah.

Nun, das war vor einem halben Jahrzehnt und glücklicher ist zumindest Fatma nicht geworden. Immer schrieb sie, dass sie gerne verreisen oder ganz abhauen würde. Statt dessen blieb sie jedoch im Hause ihrer Eltern und verbrachte ihre Abende vor dem Rechner.

Heute ändert die junge, hübsche Lady jeden Tag ihr Profilfoto. Mal gibt es ein Bild von einer Demonstration gegen das Regime zu sehen, mal ein rotes X, den Aufruf sich gegen Mubarak zu vereinigen. Sie postet "being alive with dignity or being dead forever", sie postet Fotos von Demonstranten, sie postet "Egyptian Revolution Jan 25th,2011 please SHARE", sie postet "Love 2011 the year of the Revolution", aber die meisten Informationen gibt es seit Neustem auf Arabisch. Denn sie ist nicht alleine. "Strength Through Unity, Unity Through Faith", das denken dort zur Zeit einige. Viele der Profilfotos ihrer 300 "Freunde" sind wie ihres, der Revolution angepasst. Man darf gespannt sein auf morgen, den Tag über den sie sagt "Tomorrow it will be our dancing performance in the street". Sie geht für gewöhnlich nicht alleine durch die Stadt, das macht dort niemand. Wenn sie morgen loszieht, wird es eng für Mubarak und seine knallharte Polizei. Ich kann nur Glück wünschen und hoffen, dass es keine, oder zumindest wenig Gewalt gibt. Morgen wird in Kairo etwas passieren. Etwas mehr als bisher.

Dienstag, 11. Januar 2011

Google world views

Google is evil
Google is gay
Google is god

USA is a monster
USA is a republic
USA is bankrupt
USA is better than Canada
USA is doomed
USA is the best country in the world

Germany is divided
Germany is stuck in a lose-lose situation
Germany is awesome
Germany is like wisconsin
Germany is destroying itself
Germany is a country

China is evil
China is serious about intellectual property
China is communist
China is on the move
China is not communist
China is capitalist

Europe is edging towards the unthinkable
Europe is a country
Europe is better than america
Europe is a continent
Europe is not a continent
Europe is burning
Europe is dying

God is love
God is dead

Sonntag, 2. Januar 2011

Dem Kehlmann sein Ruhm und seine Kritiker

Lothar Müller, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, hat, als der neuste Roman "Ruhm" von Daniel Kehlmann im Jahre 2009 erschienen ist, folgendes über das Werk geschrieben "Es ist auf bemerkenswerte Weise misslungen. Denn es offenbart, erstens, eine Schwäche dieses Autors, seine Grenze: Er kann keine Figuren erfinden, die ihrem Autor ernsthaften Widerstand entgegensetzen, die ihm gegenüber Geheimnisse bewahren, die er nicht auflösen könnte. Und es gründet, zweitens, seine erzählerische Dramaturgie auf eine Theorie, die es sich mit ihrem Gegenstand, den modernen Kommunikationstechnologien, allzu einfach macht."
Nun, das ist die Meinung eines wahren Kritikers - Eines Mannes, der einen Artikel schreibt, damit er gelesen wird und dabei mehr die Tatsache berücksichtigt und ausnützt, dass der Schriftsteller berühmt ist, als den Text, den er kritisiert selbst. Dabei hilft es grundsätzlich zu polarisieren und die eigene Meinung auszudehnen bis ins Extreme. Er schreibt: "Die Dämonen aber, die Abgründe und Alpträume, die es zu enthalten behauptet, enthält dieses Buch nicht." Wenn man den Roman liest, dann kann man eigentlich nicht verstehen, was Herr Müller damit sagen will. Dieses Buch enthält keine Dämonen und Alpträume, es hat es allerdings auch niemals behauptet. Es ist einfach ein gut geschriebener, sehr unterhaltsamer, teilweise spannender Roman, der sich mit Fragen rund um die moderne Kommunikation beschäftigt. Man saugt ihn binnen Stunden in sich auf und er erhält durch die sehr gelungene Verknüpfung von neun kurzen Geschichten eine Tiefe, an die man Tage später noch gerne zurückdenkt. Für mich heißt das: Es ist sehr wohl ein überaus gutes Buch und eine Kritik, die einen Roman, der so viel Spaß macht, derart schlecht beurteilt, lässt an der Objektivität des Kritikers zweifeln. Der Artikel Müllers scheint mehr die schlechte Laune des Redakteurs widerzuspiegeln als die Qualität des Buches. Die meisten Menschen werden Vergnügen beim Lesen des Werkes haben. Natürlich hilft ein solcher Verriss dem Kritiker. Zusammenfassende Berichte berücksichtigen meist gute, aber auch schlechte Kritiken. Somit wird seine, mit die schlechteste, oft, so wie auch hier, erwähnt. An dieser Stelle sollte gesagt werden, dass andere Kritiker von "Weltliteratur" sprechen, sicherlich ist das eine Übertreibung ins andere Extrem, die jedoch mehr zutrifft als ein Zerriss.


Worum es geht:
Zunächst einmal kann man jede der neun Kurzgeschichten für sich lesen und wird in jeder etwas interessantes finden, sei es die Welt eines Internet-Nerds, der sich auf einer Konferenz blamiert, die letzten Tage einer todkranken Frau, die beschließt sich in der Schweiz beim Sterben helfen zu lassen, oder die Erlebnisse eines egozentrischen Schriftstellers.
Ich werde nicht auf jede einzelne Geschichte eingehen, weil man detaillierte Informationen dazu gut auf- und überarbeitet im Internet, zum Beispiel bei Wikipedia finden kann. Es werden nur gewisse Fragmente von mir angesprochen.

Nachdem ich die ersten drei Geschichten gelesen hatte, die wie schon erwähnt sehr facettenreich und unterschiedlich sind, fragte ich mich, warum das Buch den Untertitel 'Ein Roman in neun Geschichten' trägt. Zunächst ergab sich kein Zusammenhang und es schien sich um eine Kurzgeschichtensammlung zu halten. Mit jeder weiteren Erzählung wuchsen aber die Verflechtungen und zum Schluss hin empfand ich das Netz, das gesponnen worden war, als fast genial. Viele der Fragen, die man sich im Verlauf stellte, wurden in den späteren Geschichten aufgeklärt. Warum zum Beispiel, kommuniziert der Schriftsteller in der dritten Erzählung "Rosalie geht sterben" mit der Protagonistin und warum zweifelt diese an seiner Existenz? Viele der Fragen werden beantwortet, wenn man erst einmal versteht, dass zwei der Geschichten von einem der Hauptprotagonisten des Buches, dem Schriftsteller Leo Richter, geschrieben sind. Das erklärt die Eigenarten der dritten Geschichte, die einen zunächst fragend im Raum stehen lässt.

Das Hauptthema, das sich durch viele Teile des Buches zieht, ist die moderne Art der Kommunikation. Ein Mann kauft sich ein neues Handy, welches die Telefonnummer eines bekannten Schriftstellers hat. Er kriegt zahlreiche Anrufe und gibt sich als der Besitzer der Nummer aus, um aus der Langeweile seines eigenen Lebens zu flüchten. Ein Schriftsteller will seinen Ruhm nicht mehr und verliert ihn, da seine Anrufe in dem Moment, in dem er eine Frau trifft, der er nichts von seinem Ruhm erzählen will und deswegen so tut als wäre er ein Imitator seiner selbst, nicht mehr bei ihm eingehen. Ein anderer übernimmt seine Rolle als erfolgreicher Autor. Eine Frau Namens Maria Rubinstein wird auf einer Schriftstellerreise im verarmten Osten vergessen und verliert sich, weil sie nicht in der Lage ist sich ohne die modernen Kommunikationsmittel mit den Fremden zu verständigen. Sie endet als billige Hilfskraft eines Bauern und all ihr Ruhm ist binnen Tagen nichts mehr wert. Die Frau ist für den Protagonisten Leo Richter geflogen, der die Reise abgesagt hat, weil er in der ersten Geschichte des Buches die Nase voll hat von den Terminen mit den Goethe-Instituten in denen er immer wieder die gleichen Fragen beantworten muss. Es gibt viel mehr zu schreiben, aber wer interessiert ist, sollte lieber das Buch lesen, um nicht alle Verflechtungen schon im Vorhinein zu kennen.

Nun zurück zur Kritik:
"Er gründet seine erzählerische Dramaturgie auf eine Theorie, die es sich mit ihrem Gegenstand, den modernen Kommunikationstechnologien, allzu einfach macht."
Müller behauptet, Handys wären nicht nur Instrumente der Anonymisierung, sondern auch der Identifizierung und eine Geschichte wäre zu einfach gestrickt, wenn ein Schriftsteller seine Identität an einen Mann abgibt, der seine Handynummer zugeordnet bekommen hat. Das ist wahr. Es ist erscheint zunächst wenig realistisch, dass ein Fremder das Leben eines Anderen ohne weiteres übernehmen kann. Und doch, erstens will der Schriftsteller seinen Ruhm nicht mehr und es kommt ihm geradezu gelegen, dass er plötzlich nicht er selbst zu sein scheint, zweitens ist die Geschichte nicht beendet und wir sehen nur eine Momentaufnahme. Natürlich könnte der Mann, wenn er wollte, die modernen Kommunikationsmöglichkeiten auch nutzen, um seine Identität zurückzuholen. Ob er das macht, wird aber einfach nicht beantwortet und so ändert dieser Kritikpunkt nichts, er zielt ins Leere, Ungewisse, Offengehaltene.

"Sie [die Charaktere Kehlmanns] leiden nicht wirklich, sie besitzen keine Schärfe und eigentlich auch keinen Charakter."
Natürlich ist es schwieriger den Figuren einen Charakter zuzuordnen, wenn sie nur in einzelnen Geschichten und nicht im gesamten Roman auftreten. Teilweise haben sie dadurch weniger Schärfe, aber im Wesentlichen kann man nicht von Mangel an Charakter sprechen. Wenn ich zurückdenke an den Schriftsteller Leo Richter und Maria Rubinstein, den intenetabhängigen Mollowitz, oder die Sterbehilfe suchende Rosalia, dann habe ein klares Bild dieser Menschen und ihren Charakter vor Augen.

Ein Abteilungsleiter hat neben seiner Frau eine Affäre und der Kritiker schreibt:
"Damit, dass die Technologien der Überwachung und des Misstrauens denen denen des Lügens und Täuschens ebenbürtig sein könnten, rechnet er [Kehlmann] nicht."
Er sieht es als Unstimmigkeit an, dass der Mann mit seiner Zweitbeziehung durchkommt, doch es ist keine. Viele Frauen würden das Internet und das Mobiltelefon dazu nützen dem Mann auf die Schliche zu kommen. Andere jedoch nicht. Der Kritiker behauptet fast schon, dass sich alle Menschen gleich verhalten würden, um Kehlmann kritisieren zu können. Mir kommt es so vor, als hätte er zunächst beschlossen einen Artikel gegen den jungen Autor zu schreiben und als hätte er erst danach nach Argumenten gesucht, die seine These unterstützen. Mir gefiel der Roman gut bis sehr gut, denn er bietet wirklich etwas Neues.

Die Kritik Müllers ist bemerkenswert misslungen. Sudoku ist doch ein Roman. Kehlmann: 4.5 von 5, Müller 0 von 5 Punkten.