Freitag, 28. Januar 2011

Der Wanderer

Die Revolution in Kairo nimmt also ihren Lauf. Man darf gespannt sein wie es die nächsten Tage weitergeht... Ich wünsche Fatma und ihren Freunden viel Glück, damit der Spuk schnell vorbei ist, und vor allem, damit das, was folgt, nicht noch schlimmer wird.



Ich arbeite an einem Gedichtsband. Dabei habe ich ein Stück gefunden, das ich schon etwas länger her geschrieben habe. 
Viel Spaß damit,
Matthias Kostka



Der Wanderer



Er kletterte auf den Mont Everest,
Meditierte auf seinem Gipfel
Und ernährte sich von Gletscherwasser

Er wanderte durch das Feuerland,
Hoch, die Seenplatte entlang,
Durch den Amazonas

Er kämpfte mit Tieren,
Mit Tropenregen
Und Tropenkrankheiten

Er schwamm durch den längsten Fluss
Überlebte Parasiten, Blutsauger und Krokodilangriffe
Und einen Vulkanausbruch der sein Dorf in Schutt und Asche zerlegte

Er halluzinierte bei 40 Grad,
Sprach mit sich selbst
Und den Gefährten, den Geistern die er sah

Er wurde wieder klar und lernte,
Über fremde Kulturen
Und den Kern des menschlichen Wesens

Er wanderte die chinesische Mauer entlang,
Traf Buddhas und sprach mit Ghandi,
Lernte Kanji, Hiragana und Katanaka,
Bis er sie irgendwann verinnerlicht hatte
Und die Symbole wie Gemälde malte

Beruhigter Seele zog er weiter

Die Sahara hätte ihn fast verdursten lassen,
Doch er hatte Glück,
Denn eine der vielen Karawanen, die er sah,
War keine Fata Morgana

Sie brachte ihn nach Kairo,
Wo ihm eine Großfamilie aus Giza wieder zu Kräften verhalf
Er blickte auf größten Pyramiden der Welt
Und genoss die größtmögliche Gastfreundschaft

Das Glück was er gehabt hatte war enorm,
Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Rettung unendlich klein
Es war ihm hold,
Wie damals mit den Schlangen in Peru,
Dem ertrunkenen Gefährten in Agua Azul,
Oder bei der Entführung in Kuba

Mit jedem Jahr merkte er mehr wie wichtig der Kopf war
Nicht wie der Körper, der Vergängliche,
Das Wesentliche des Seins

Er schloss sich für drei Jahre ein
Machte Joga, um den Kopf bei Kräften zu halten
Und erlernte in dieser Zeit 7 weitere Sprachen
So dass es in der Summe 19 waren

Am Ende wusste er alles,
Denn er hatte alles gesehen,
Alles gerochen,
Alles verstanden,
Alles gesprochen
Doch eines blieb ihm bis zum Schluss verborgen,
Denn egal wo er war sah er glückliche Gesichter

Donnerstag, 27. Januar 2011

Das Licht der Freiheit für die Ägypter - Being alive with dignity or being dead forever

Meine Facebook-Freundin aus Ägypten, nennen wir sie Fatma, gibt mir seit Jahren durch ihre Statusupdates und die Kommentare ihrer Freunde einen ganz recht guten Einblick in die Seele der Ägypter. Als die Mohamad-Karrikaturen Kontroverse aktuell war, spürte ich Fatmas Wut, als die Fußballer Afrikameister wurden ihre Freude. Ich möchte, aus aktuellem Anlass, ein Paar Worte zu der aktuellen Stimmung loswerden.

2005 habe ich Fatma in Kairo bei einer Tagung teilgenommen und habe sie und ihre Freunde, allesamt Studenten, kennengelernt. Was man damals jeden Tag spürte war die Unfreiheit, vor allem die Unfreiheit der Frauen. Ich kann mehrere Beispiele, die dieses Gefühl hervorgerufen haben, nennen.

- Wir wurden in einem Reisebus zu dem ägyptischen Museum gebracht. Die einheimischen Studenten haben sich bei diesem Ausflug um uns gekümmert. Sie haben zum Beispiel die Tickets am Eingang besorgt, oder bei jeglichen anderen Kommunikationsversuchen mit den Ägyptern geholfen. Fatma lutschte einen Lolly und ich wunderte mich, warum sie von einem Security bei dem Museum wüst beschimpft worden war. Die Erklärung und Folgen für sie schilderte sie mir beim Chatten: Dieses Verhalten "das Lutschen eines Lutschers in der Öffentlichkeit" wurde als nicht anständig angesehen. Der Sicherheitsdienst meldete dieses unsittliche Verhalten bei ihrer Universität. Alle Studenten, die uns begleitet haben, wurden für diesen Ausflug benotet. Ich fragte mich erst einmal "wofür?". Immerhin standen sie bloß herum und haben sich mit uns unterhalten. Bewertet wurde mitunter das sittliche Verhalten. Fatma erhielt die schlechteste Note, weil sie an einem Lolly gelutscht hat. Versaut waren dabei nur diejenigen, die was Versautes dachten.
- Eine andere Studentin (damals etwa 19 Jahre alt) sollte kurze Zeit später verheiratet werden. Damals war sie auch noch eine Facebook-Freundin von mir und ihr Kommentar war "Es ist nicht so schlimm. Ich habe ihn schon drei Mal gesehen." Ich weiß nicht wie, aber sie hat es geschafft diese Hochzeit zu verschieben. Der Aufschub kann jedoch nicht lang gewesen sein.
- Ich war mit einer großen Gruppe Ägypter, weiblich und männlich, essen. Die Stimmung war sehr gut, denn es gab Shishas, es gab sehr gute Gerichte... Um Punkt 10 mussten plötzlich alle Frauen nach Hause gehen. Sie leben entweder bei den Eltern, oder bei ihren Männern, etwas dazwischen gibt es nicht. Dort wird erwartet, dass sie um 22 Uhr zu Hause sind. Eine Gruppe von 10-12 Männern zog also ohne eine einzige Frau weiter und versuchte sich zu amüsieren. Wir spielten zusammen Billard und sie benahmen sich wie Teenager. Ich habe das nicht verstanden, denn Abende ohne Frauen sind auf Dauer wirklich sehr langweilig. Ich hatte das Gefühl, dass viele von ihnen auch nicht so recht wussten, wie sie mit diesem System umgehen sollten...
- Die Mädels wollten unbedingt raus aus Ägypten. Sie biederten sich an, wenn kein Mann in der Nähe war. Sie bemühten sich klarzustellen, dass sie den "Westen" lieben und gute Arbeit verrichten. Gesehen werden wollten sie dabei nicht. Man merkte ihnen den Stress an, wenn jemand Bekanntes um die Ecke kam und sie alleine mit einem ausländischen Mann reden sah.

Nun, das war vor einem halben Jahrzehnt und glücklicher ist zumindest Fatma nicht geworden. Immer schrieb sie, dass sie gerne verreisen oder ganz abhauen würde. Statt dessen blieb sie jedoch im Hause ihrer Eltern und verbrachte ihre Abende vor dem Rechner.

Heute ändert die junge, hübsche Lady jeden Tag ihr Profilfoto. Mal gibt es ein Bild von einer Demonstration gegen das Regime zu sehen, mal ein rotes X, den Aufruf sich gegen Mubarak zu vereinigen. Sie postet "being alive with dignity or being dead forever", sie postet Fotos von Demonstranten, sie postet "Egyptian Revolution Jan 25th,2011 please SHARE", sie postet "Love 2011 the year of the Revolution", aber die meisten Informationen gibt es seit Neustem auf Arabisch. Denn sie ist nicht alleine. "Strength Through Unity, Unity Through Faith", das denken dort zur Zeit einige. Viele der Profilfotos ihrer 300 "Freunde" sind wie ihres, der Revolution angepasst. Man darf gespannt sein auf morgen, den Tag über den sie sagt "Tomorrow it will be our dancing performance in the street". Sie geht für gewöhnlich nicht alleine durch die Stadt, das macht dort niemand. Wenn sie morgen loszieht, wird es eng für Mubarak und seine knallharte Polizei. Ich kann nur Glück wünschen und hoffen, dass es keine, oder zumindest wenig Gewalt gibt. Morgen wird in Kairo etwas passieren. Etwas mehr als bisher.

Dienstag, 11. Januar 2011

Google world views

Google is evil
Google is gay
Google is god

USA is a monster
USA is a republic
USA is bankrupt
USA is better than Canada
USA is doomed
USA is the best country in the world

Germany is divided
Germany is stuck in a lose-lose situation
Germany is awesome
Germany is like wisconsin
Germany is destroying itself
Germany is a country

China is evil
China is serious about intellectual property
China is communist
China is on the move
China is not communist
China is capitalist

Europe is edging towards the unthinkable
Europe is a country
Europe is better than america
Europe is a continent
Europe is not a continent
Europe is burning
Europe is dying

God is love
God is dead

Sonntag, 2. Januar 2011

Dem Kehlmann sein Ruhm und seine Kritiker

Lothar Müller, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, hat, als der neuste Roman "Ruhm" von Daniel Kehlmann im Jahre 2009 erschienen ist, folgendes über das Werk geschrieben "Es ist auf bemerkenswerte Weise misslungen. Denn es offenbart, erstens, eine Schwäche dieses Autors, seine Grenze: Er kann keine Figuren erfinden, die ihrem Autor ernsthaften Widerstand entgegensetzen, die ihm gegenüber Geheimnisse bewahren, die er nicht auflösen könnte. Und es gründet, zweitens, seine erzählerische Dramaturgie auf eine Theorie, die es sich mit ihrem Gegenstand, den modernen Kommunikationstechnologien, allzu einfach macht."
Nun, das ist die Meinung eines wahren Kritikers - Eines Mannes, der einen Artikel schreibt, damit er gelesen wird und dabei mehr die Tatsache berücksichtigt und ausnützt, dass der Schriftsteller berühmt ist, als den Text, den er kritisiert selbst. Dabei hilft es grundsätzlich zu polarisieren und die eigene Meinung auszudehnen bis ins Extreme. Er schreibt: "Die Dämonen aber, die Abgründe und Alpträume, die es zu enthalten behauptet, enthält dieses Buch nicht." Wenn man den Roman liest, dann kann man eigentlich nicht verstehen, was Herr Müller damit sagen will. Dieses Buch enthält keine Dämonen und Alpträume, es hat es allerdings auch niemals behauptet. Es ist einfach ein gut geschriebener, sehr unterhaltsamer, teilweise spannender Roman, der sich mit Fragen rund um die moderne Kommunikation beschäftigt. Man saugt ihn binnen Stunden in sich auf und er erhält durch die sehr gelungene Verknüpfung von neun kurzen Geschichten eine Tiefe, an die man Tage später noch gerne zurückdenkt. Für mich heißt das: Es ist sehr wohl ein überaus gutes Buch und eine Kritik, die einen Roman, der so viel Spaß macht, derart schlecht beurteilt, lässt an der Objektivität des Kritikers zweifeln. Der Artikel Müllers scheint mehr die schlechte Laune des Redakteurs widerzuspiegeln als die Qualität des Buches. Die meisten Menschen werden Vergnügen beim Lesen des Werkes haben. Natürlich hilft ein solcher Verriss dem Kritiker. Zusammenfassende Berichte berücksichtigen meist gute, aber auch schlechte Kritiken. Somit wird seine, mit die schlechteste, oft, so wie auch hier, erwähnt. An dieser Stelle sollte gesagt werden, dass andere Kritiker von "Weltliteratur" sprechen, sicherlich ist das eine Übertreibung ins andere Extrem, die jedoch mehr zutrifft als ein Zerriss.


Worum es geht:
Zunächst einmal kann man jede der neun Kurzgeschichten für sich lesen und wird in jeder etwas interessantes finden, sei es die Welt eines Internet-Nerds, der sich auf einer Konferenz blamiert, die letzten Tage einer todkranken Frau, die beschließt sich in der Schweiz beim Sterben helfen zu lassen, oder die Erlebnisse eines egozentrischen Schriftstellers.
Ich werde nicht auf jede einzelne Geschichte eingehen, weil man detaillierte Informationen dazu gut auf- und überarbeitet im Internet, zum Beispiel bei Wikipedia finden kann. Es werden nur gewisse Fragmente von mir angesprochen.

Nachdem ich die ersten drei Geschichten gelesen hatte, die wie schon erwähnt sehr facettenreich und unterschiedlich sind, fragte ich mich, warum das Buch den Untertitel 'Ein Roman in neun Geschichten' trägt. Zunächst ergab sich kein Zusammenhang und es schien sich um eine Kurzgeschichtensammlung zu halten. Mit jeder weiteren Erzählung wuchsen aber die Verflechtungen und zum Schluss hin empfand ich das Netz, das gesponnen worden war, als fast genial. Viele der Fragen, die man sich im Verlauf stellte, wurden in den späteren Geschichten aufgeklärt. Warum zum Beispiel, kommuniziert der Schriftsteller in der dritten Erzählung "Rosalie geht sterben" mit der Protagonistin und warum zweifelt diese an seiner Existenz? Viele der Fragen werden beantwortet, wenn man erst einmal versteht, dass zwei der Geschichten von einem der Hauptprotagonisten des Buches, dem Schriftsteller Leo Richter, geschrieben sind. Das erklärt die Eigenarten der dritten Geschichte, die einen zunächst fragend im Raum stehen lässt.

Das Hauptthema, das sich durch viele Teile des Buches zieht, ist die moderne Art der Kommunikation. Ein Mann kauft sich ein neues Handy, welches die Telefonnummer eines bekannten Schriftstellers hat. Er kriegt zahlreiche Anrufe und gibt sich als der Besitzer der Nummer aus, um aus der Langeweile seines eigenen Lebens zu flüchten. Ein Schriftsteller will seinen Ruhm nicht mehr und verliert ihn, da seine Anrufe in dem Moment, in dem er eine Frau trifft, der er nichts von seinem Ruhm erzählen will und deswegen so tut als wäre er ein Imitator seiner selbst, nicht mehr bei ihm eingehen. Ein anderer übernimmt seine Rolle als erfolgreicher Autor. Eine Frau Namens Maria Rubinstein wird auf einer Schriftstellerreise im verarmten Osten vergessen und verliert sich, weil sie nicht in der Lage ist sich ohne die modernen Kommunikationsmittel mit den Fremden zu verständigen. Sie endet als billige Hilfskraft eines Bauern und all ihr Ruhm ist binnen Tagen nichts mehr wert. Die Frau ist für den Protagonisten Leo Richter geflogen, der die Reise abgesagt hat, weil er in der ersten Geschichte des Buches die Nase voll hat von den Terminen mit den Goethe-Instituten in denen er immer wieder die gleichen Fragen beantworten muss. Es gibt viel mehr zu schreiben, aber wer interessiert ist, sollte lieber das Buch lesen, um nicht alle Verflechtungen schon im Vorhinein zu kennen.

Nun zurück zur Kritik:
"Er gründet seine erzählerische Dramaturgie auf eine Theorie, die es sich mit ihrem Gegenstand, den modernen Kommunikationstechnologien, allzu einfach macht."
Müller behauptet, Handys wären nicht nur Instrumente der Anonymisierung, sondern auch der Identifizierung und eine Geschichte wäre zu einfach gestrickt, wenn ein Schriftsteller seine Identität an einen Mann abgibt, der seine Handynummer zugeordnet bekommen hat. Das ist wahr. Es ist erscheint zunächst wenig realistisch, dass ein Fremder das Leben eines Anderen ohne weiteres übernehmen kann. Und doch, erstens will der Schriftsteller seinen Ruhm nicht mehr und es kommt ihm geradezu gelegen, dass er plötzlich nicht er selbst zu sein scheint, zweitens ist die Geschichte nicht beendet und wir sehen nur eine Momentaufnahme. Natürlich könnte der Mann, wenn er wollte, die modernen Kommunikationsmöglichkeiten auch nutzen, um seine Identität zurückzuholen. Ob er das macht, wird aber einfach nicht beantwortet und so ändert dieser Kritikpunkt nichts, er zielt ins Leere, Ungewisse, Offengehaltene.

"Sie [die Charaktere Kehlmanns] leiden nicht wirklich, sie besitzen keine Schärfe und eigentlich auch keinen Charakter."
Natürlich ist es schwieriger den Figuren einen Charakter zuzuordnen, wenn sie nur in einzelnen Geschichten und nicht im gesamten Roman auftreten. Teilweise haben sie dadurch weniger Schärfe, aber im Wesentlichen kann man nicht von Mangel an Charakter sprechen. Wenn ich zurückdenke an den Schriftsteller Leo Richter und Maria Rubinstein, den intenetabhängigen Mollowitz, oder die Sterbehilfe suchende Rosalia, dann habe ein klares Bild dieser Menschen und ihren Charakter vor Augen.

Ein Abteilungsleiter hat neben seiner Frau eine Affäre und der Kritiker schreibt:
"Damit, dass die Technologien der Überwachung und des Misstrauens denen denen des Lügens und Täuschens ebenbürtig sein könnten, rechnet er [Kehlmann] nicht."
Er sieht es als Unstimmigkeit an, dass der Mann mit seiner Zweitbeziehung durchkommt, doch es ist keine. Viele Frauen würden das Internet und das Mobiltelefon dazu nützen dem Mann auf die Schliche zu kommen. Andere jedoch nicht. Der Kritiker behauptet fast schon, dass sich alle Menschen gleich verhalten würden, um Kehlmann kritisieren zu können. Mir kommt es so vor, als hätte er zunächst beschlossen einen Artikel gegen den jungen Autor zu schreiben und als hätte er erst danach nach Argumenten gesucht, die seine These unterstützen. Mir gefiel der Roman gut bis sehr gut, denn er bietet wirklich etwas Neues.

Die Kritik Müllers ist bemerkenswert misslungen. Sudoku ist doch ein Roman. Kehlmann: 4.5 von 5, Müller 0 von 5 Punkten.