Donnerstag, 27. Januar 2011

Das Licht der Freiheit für die Ägypter - Being alive with dignity or being dead forever

Meine Facebook-Freundin aus Ägypten, nennen wir sie Fatma, gibt mir seit Jahren durch ihre Statusupdates und die Kommentare ihrer Freunde einen ganz recht guten Einblick in die Seele der Ägypter. Als die Mohamad-Karrikaturen Kontroverse aktuell war, spürte ich Fatmas Wut, als die Fußballer Afrikameister wurden ihre Freude. Ich möchte, aus aktuellem Anlass, ein Paar Worte zu der aktuellen Stimmung loswerden.

2005 habe ich Fatma in Kairo bei einer Tagung teilgenommen und habe sie und ihre Freunde, allesamt Studenten, kennengelernt. Was man damals jeden Tag spürte war die Unfreiheit, vor allem die Unfreiheit der Frauen. Ich kann mehrere Beispiele, die dieses Gefühl hervorgerufen haben, nennen.

- Wir wurden in einem Reisebus zu dem ägyptischen Museum gebracht. Die einheimischen Studenten haben sich bei diesem Ausflug um uns gekümmert. Sie haben zum Beispiel die Tickets am Eingang besorgt, oder bei jeglichen anderen Kommunikationsversuchen mit den Ägyptern geholfen. Fatma lutschte einen Lolly und ich wunderte mich, warum sie von einem Security bei dem Museum wüst beschimpft worden war. Die Erklärung und Folgen für sie schilderte sie mir beim Chatten: Dieses Verhalten "das Lutschen eines Lutschers in der Öffentlichkeit" wurde als nicht anständig angesehen. Der Sicherheitsdienst meldete dieses unsittliche Verhalten bei ihrer Universität. Alle Studenten, die uns begleitet haben, wurden für diesen Ausflug benotet. Ich fragte mich erst einmal "wofür?". Immerhin standen sie bloß herum und haben sich mit uns unterhalten. Bewertet wurde mitunter das sittliche Verhalten. Fatma erhielt die schlechteste Note, weil sie an einem Lolly gelutscht hat. Versaut waren dabei nur diejenigen, die was Versautes dachten.
- Eine andere Studentin (damals etwa 19 Jahre alt) sollte kurze Zeit später verheiratet werden. Damals war sie auch noch eine Facebook-Freundin von mir und ihr Kommentar war "Es ist nicht so schlimm. Ich habe ihn schon drei Mal gesehen." Ich weiß nicht wie, aber sie hat es geschafft diese Hochzeit zu verschieben. Der Aufschub kann jedoch nicht lang gewesen sein.
- Ich war mit einer großen Gruppe Ägypter, weiblich und männlich, essen. Die Stimmung war sehr gut, denn es gab Shishas, es gab sehr gute Gerichte... Um Punkt 10 mussten plötzlich alle Frauen nach Hause gehen. Sie leben entweder bei den Eltern, oder bei ihren Männern, etwas dazwischen gibt es nicht. Dort wird erwartet, dass sie um 22 Uhr zu Hause sind. Eine Gruppe von 10-12 Männern zog also ohne eine einzige Frau weiter und versuchte sich zu amüsieren. Wir spielten zusammen Billard und sie benahmen sich wie Teenager. Ich habe das nicht verstanden, denn Abende ohne Frauen sind auf Dauer wirklich sehr langweilig. Ich hatte das Gefühl, dass viele von ihnen auch nicht so recht wussten, wie sie mit diesem System umgehen sollten...
- Die Mädels wollten unbedingt raus aus Ägypten. Sie biederten sich an, wenn kein Mann in der Nähe war. Sie bemühten sich klarzustellen, dass sie den "Westen" lieben und gute Arbeit verrichten. Gesehen werden wollten sie dabei nicht. Man merkte ihnen den Stress an, wenn jemand Bekanntes um die Ecke kam und sie alleine mit einem ausländischen Mann reden sah.

Nun, das war vor einem halben Jahrzehnt und glücklicher ist zumindest Fatma nicht geworden. Immer schrieb sie, dass sie gerne verreisen oder ganz abhauen würde. Statt dessen blieb sie jedoch im Hause ihrer Eltern und verbrachte ihre Abende vor dem Rechner.

Heute ändert die junge, hübsche Lady jeden Tag ihr Profilfoto. Mal gibt es ein Bild von einer Demonstration gegen das Regime zu sehen, mal ein rotes X, den Aufruf sich gegen Mubarak zu vereinigen. Sie postet "being alive with dignity or being dead forever", sie postet Fotos von Demonstranten, sie postet "Egyptian Revolution Jan 25th,2011 please SHARE", sie postet "Love 2011 the year of the Revolution", aber die meisten Informationen gibt es seit Neustem auf Arabisch. Denn sie ist nicht alleine. "Strength Through Unity, Unity Through Faith", das denken dort zur Zeit einige. Viele der Profilfotos ihrer 300 "Freunde" sind wie ihres, der Revolution angepasst. Man darf gespannt sein auf morgen, den Tag über den sie sagt "Tomorrow it will be our dancing performance in the street". Sie geht für gewöhnlich nicht alleine durch die Stadt, das macht dort niemand. Wenn sie morgen loszieht, wird es eng für Mubarak und seine knallharte Polizei. Ich kann nur Glück wünschen und hoffen, dass es keine, oder zumindest wenig Gewalt gibt. Morgen wird in Kairo etwas passieren. Etwas mehr als bisher.