Montag, 9. Dezember 2013

Smog in Shanghai

Es war soweit, ich durfte ins viel diskutierte China, nach Shanghai, wo die Stararchitekten ihre Werke so schnell errichten als würden sie es mit Lego tun. Die Architektur ist tatsächlich beeindruckend - wenn man auf moderne Gebäudekunst steht - wie man zum Beispiel auf folgendem Foto von DER Skyline sieht

Das war an meinem ersten Abend, etwa vor einer Woche, und es hat mich schon ziemlich beeindruckt am "Bund" zu stehen und diese Moderne zu bewundern. Auch wenn ich tagsüber nicht viel mit Downtowns im amerikanischen Stil anfangen kann, die nächtliche Beleuchtung wirkte dann doch aufregend. Ich könnte jetzt viel dazu schreiben, über das Geld, das da hineingesteckt wird, über Großprojekte, die funktionieren, über Städteplanung, die Konsistenz aufweist, weil niemand der Partei dazwischenfunkt. Ich könnte über die Vor- und Nachteile des chinesischen Kommunismus schreiben, über tanzende Chinesen und das Recht des Stärkeren. Doch das werde ich zumindest mit diesem Eintrag nicht tun, denn seit Tagen beschäftigt mich fast ausschließlich ein Thema: SMOG. Die Stadt sieht die Tage etwa so aus
Tatsächlich war es zwischenzeitlich sogar noch wesentlich schlimmer und man konnte nur einige Meter weit blicken. Der sogenannte "air-quality-index" (AQI) lag bei über 500. Ab 75 ist die Luft schon nicht zu gebrauchen, also was soll einem 500 sagen? Ich kann es euch verraten: Man fängt an das Gefühl zu haben, man würde in einem Dark Future Film leben, in einer Welt, die es versaut hat. Man will nicht raus, denn wer möchte schon sein Riechorgan freiwillig an einen Auspuff halten? Natürlich muss man hin und wieder vor die Tür, zur Arbeit, zum Essen, und sieht all die Menschen, die mit ihren Atemschutzmasken entweder völlig gleichgültig dreinblicken, oder aber so schockiert wie man selbst. Ich bin hier fremd, das macht es nicht einfacher. Ich fühle mich wie ein Alien in einer Welt, in der ich nicht sein will. Ich wühle mich durch die zähe Luft, um mir irgendwo einen Kaffee zu bestellen, und selbst das wird durch die Sprachbarriere zu einer Herausforderung. Ich werde um neun Uhr Abends müde, weil die Luft mich fertig macht. Die Augen sind gereizt und die Haut wird täglich schlechter. Sport draußen geht nicht, also wird man noch träger. Man geht durch das Zentrum und überall shoppen die Chinesen als gebe es kein Morgen, sie haben durchaus Sinn für Mode. Für sie sind Gucci und Dolce&Gabbana geschaffen, es passt wie Schokoladensauce auf Vanilleeis. Und ich stelle mir bloß vor wie die Frauen vor ihren Spiegeln millimeterweise Make-up auftragen, um das Grau ihrer Gesichter zu retuschieren, das sich unweigerlich einstellt, atmet man für längere Zeit das, was eigentlich Luft sein sollte.

Wir im Westen sind natürlich mit Schuld an diesem Boom. Doch das liegt sicherlich auch daran, dass kaum einer die wahre Verbindung zwischen seinem Smartphone, oder etwa den viel zu vielen Spielsachen für die Kinder, und dieser Katastrophe sieht. Man mag schon wissen, dass alles Mögliche aus China kommt und dass es der Umwelt hier dadurch schlecht geht, aber man kann sich nicht vorstellen, was die Konsequenzen sind, weil sich sowas doch niemand freiwillig antun würde... Es ist für mich tatsächlich unvorstellbar, dabei war ich schon 1993 von Los Angeles geschockt, weil es eine Smogglocke um sich herum hatte, die man vom Flugzeug aus sehen konnte. Aber das war gar nichts, die Luft war okay, man konnte normal sehen. Hier in Shanghai ist die gesamte Region vergiftet. Man kann auch nicht eben mal ein paar Kilometer hinausfahren in die Natur, hier gibt es nur Stadt. Es geht mir nicht in den Kopf, dass sich eine Nation selbst so etwas zufügt. Warum, wozu? Um reich zu werden? So trivial es ist, schon vor zweitausend Jahren wusste Virgil, dass der größte Reichtum die Gesundheit ist. Die Chinesen haben bislang eine sehr hohe Lebenserwartung und man kann denken, dass auch sie sich des Zusammenhangs bewusst sind. Doch wenn sie nicht sofort umdenken, dann wird die Welt düster aussehen. Wenn nur der Wind hilft, der den Dreck in die benachbarten Länder trägt, dann kann man sich ausmalen wie eine Zukunft aussieht, in der mehr und mehr Menschen leben.

Ich für meinen Teil werde nun noch mehr versuchen auf Qualität und nicht auf Quantität zu achten. Ich freue mich jetzt schon wieder auf die Welt, in der man sich nicht freuen muss, wenn der AQI von 500 auf 200, also von "gesundheitsschädlich" auf "ungesund" fällt, weil die Luft dann zumindest nicht mehr ganz so schlimm stinkt und man etwas weiter sehen kann. In zwei Wochen ist es soweit.